Ja, wo laufen sie denn?
Leitung: | Feuerhake, Udo |
Jahr: | 2017 |
Förderung: | Ausgangspunkt: DFG-Projekt Q-Trajectories |
Laufzeit: | laufend |
Fußballanalyse am Computer
„Für Profi-Trainer oder auch einfache Hobby-Kicker. Vielen Fußballbegeisterten wird der Weg zum Taktikfuchs durch eine automatisierte Spielanalyse am Computer erleichtert. Ausgeklügelte Verfahren ermöglichen eine einfachere Bewertung der Leistung der Akteure. Hierfür werden aus reinen Bewegungsdaten (inkl. Ball) sowohl grundlegende Leistungsparameter der Spieler ermittelt als auch für den ungeübten Betrachter verborgene Muster in Teambewegungen und Passspiel ans Tageslicht gebracht. Dieses Wissen legt die Schwächen des nächsten Gegners unbarmherzig offen, fundiert das Feedback-Gespräch mit dem analysierten Spieler und verleiht jeder Stammtischtischdiskussion einen nie dagewesenen Tiefgang.”
NachtDieWissenSchafft 2014
Soweit die Idee. Doch wie funktioniert das Ganze?
Die zur Analyse benötigten Bewegungsinformationen der Spieler werden mit Hilfe sogenannter Tracking-Systeme ermittelt. Dabei werden zu jeder Zeit die Positionen der Spieler (und des Balls) auf dem Spielfeld bestimmt. Während im professionellen Bereich hauptsächlich hochgenaue aber auch teure Kamerasysteme zur Video-basierten Objektverfolgung oder der sogenannte „Chip im Ball“ (funk-basiert) zum Einsatz kommen, sollen bei unserer Lösung Verfahren angewendet werden, die auf preiswertere Technik in Form von GPS-Loggern und/oder Smart-Kameras/Smartphones zurückgegriffen werden. Die damit (möglicherweise) eingekauften höheren Ungenauigkeiten bei der Verfolgung der Objekte, soll aber durch die entwickelte Analyse-Software kompensiert werden. Diese Software verarbeitet die Trajektorien der Spieler (und des Balls) und generiert Informationen, die eine Analyse des gesamten Spiels, eines Teams oder eines einzelnen Spielers ermöglichen bzw. unterstützen. Sie bietet neben den heutigen Standardanalysen wie z.B. der zurückgelegten Distanz, den „Heat maps“, der Formation eines Teams und der Passanalyse, auch fortgeschrittenere Analysen aus dem Bereich der Mustererkennung. Mit Hilfe dieser Analysen wird nicht nur die Bewegungsleistung der Spieler gemessen sondern auch ein gewisses Maß an Taktik oder typischen Verhalten offengelegt.
Ermittlung der Spieler-Trajektorien
Zum Tracking der Spieler haben wir drei unterschiedliche Verfahren entwickelt. Das wahrscheinlich am einfachsten zu realisierende Verfahren ist das GPS-Tracking. Dort wird jeder Spieler mit einem GPS-Logger ausgestattet, der die Positionen mit einer Frequenz von 5 Hz bestimmt und speichert. Auf Grund eines fehlenden Kommunikationsmoduls ist eine direkte Übertragung der Daten zwecks Online-Analyse nicht möglich. Die Auswertung muss demnach im Nachhinein stattfinden. Zudem muss mit der GPS-typischen Ungenauigkeit bei der Positionsermittlung gerechnet werden. Der Vorteil hingegen ist jedoch die einfache Generierung der Trajektorien, da natürlich sämtliche Daten eines Loggers einem Spieler zugeordnet werden können. Die zweite Variante ist die Verwendung von günstigen (Smart-)Kameras zur Verfolgung der Spieler. Hierbei drehen sich in gewisser Weise die Vor- und Nachteile im Vergleich zu der GPS-Tracking-Variante. Die Genauigkeit ist hier deutlich höher und liegt je nach Szenario im Dezimeterbereich. Die Zuordnung der Objektdetektionen in den Kamerabildern zu den jeweiligen Spielern ist jedoch auf Grund diverser Hindernisse wie z.B. Objektverdeckungen relativ anspruchsvoll. Abhilfe schafft hier ein entsprechender Tracking-Algorithmus. Als Hardware verwenden wir handelsübliche Smartphones, die mit einer hinreichend guten Kamera und Recheneinheit ausgestattet sind. Letztere erlaubt sogar eine dezentrale Verarbeitung der Bilder, so dass zu Gunsten des Übertragungsvolumens nur noch die Detektionen bzw. die ermittelten Spielerpositionen zwecks Analyse zu übertragen sind. Eine Online-Analyse ist mit diesem Verfahren möglich. Die letzte Variante der Tracking-Verfahren ist eine Kombination aus den beiden Vorangegangenen. Das sogenannte GPS-unterstützte Video-Tracking soll die jeweiligen Vorzüge der beiden individuellen Verfahren zusammenführen und damit die Schwächen beseitigen. Das bedeutet, dass wir versuchen, die Genauigkeit vom Kamera-basierten Tracking mit der einfachen Zuordnung der Spieler durch die GPS-Tracks zu verbinden. Zu diesem Zweck werden die Daten der Kamera(s) und der Logger mit Hilfe entsprechender Algorithmen fusioniert. Auf Grund der fehlenden Kommunikationsfähigkeit der GPS-Logger ermöglicht dieses Verfahren momentan nur eine Analyse der Daten im Nachhinein. Sollten die GPS-Logger zukünftig mit einer Kommunikationseinheit ausgestattet werden, so könnten die Daten unmittelbar fusioniert und analysiert werden. Die Trajektorien werden je nach verwendeten Tracking-Verfahren entweder online, also unmittelbar nach der Aufnahme, oder in einer nachgeschobenen Analyse prozessiert. In beiden Fällen werden sowohl die Bewegungsdaten als auch Metadaten in einer Datenbank gespeichert, um diese einerseits später noch einmal abrufen zu können oder sie für „Langzeitanalysen“ nutzen zu können.
Analyse der Trajektorien
Zur Analyse wird eine eigene Software entwickelt, die entsprechende Funktionen zur Verfügung stellt. Die Analysen sollen dabei (soweit möglich) automatisiert ablaufen. Ferner dient die Anwendung zur Visualisierung und zum Vergleich der berechneten Ergebnisse.
Die Analyse-Software
Der Funktionsumfang gliedert sich in drei Funktionsgruppen. Die erste dieser Gruppen beinhaltet grundlegende Analysen, deren Hauptaugenmerk auf der „Performance“ der Spieler/Mannschaften vor allem im läuferischen Bereich liegt. Zu diesen zählen bspw. die Bewegungsprofile der Spieler, die Verteilung der Bewegungsintensitäten und die Detektion von Sprints bzw. Läufen mit hoher Geschwindigkeit. Dazu gehören ebenfalls die sogenannten Heat maps, die die Aufenthalte der Spieler auf dem Feld beinhalten. Auch mannschaftsbezogene Analysen wie die „Real-Taktische Aufstellung“ (die mittlere Position der Spieler während eines Spiels) oder die Ermittlung der einzelnen Mannschaftsteile (z.B. Abwehr, Mittelfeld, Angriff) fallen in diese Gruppe.
Grundlegende Analysen: Bewegunsgprofile, Heat (/Intensity) maps und ermittelte Mannschaftsteile
Die zweite Gruppe sind die ballorientierten Analysen, die im Gegensatz zur ersten Gruppe nur möglich sind, wenn die Position des Balls ermittelt wird. Im Fall des reinen GPS-Tracking trifft dies jedoch nicht zu, da die Ausstattung des Balls mit einem GPS-Empfänger momentan noch nicht möglich ist. Die Features, die mit Hilfe der Balltrajektorie berechnet werden können, sind u.a. die Ballbesitzstatistik bzw. die Ballkontakte der Spieler. Zudem können auch Pässe, Torschüsse, Eckbälle und Tore detektiert werden.
Ballorientierte Analysen: Durch das Auswerten der Ball- und Spielertrajektorien lassen sich sowohl Pässe als auch Fehlpässe detektieren
Die letzte Gruppe der Analysen entspricht den „fortgeschrittenen“ Analysen. Das Wort „fortgeschritten“ soll zum Ausdruck bringen, dass hier komplexere Algorithmen zur Berechnung der Ergebnisse zum Einsatz kommen. So werden z.B. Verfahren des Maschinellen Lernens oder Sequenzanalyse-Methoden genutzt, um auf den ersten Blick nicht ersichtliche Bewegungsmuster in den Trajektoriedaten zu erkennen. Diese Muster können bspw. typische Laufwege einzelner Spieler oder typische Verhaltensweisen der ganzen Mannschaft sein. Bei der Analyse mit der Balltrajektorie lassen sich in diesem Zusammenhang Passsequenzmuster bzw. charakteristisches Passverhalten ermitteln. Auch die Berechnung der Passmöglichkeiten eines ballbesitzenden Spielers ist möglich. Die auf diese Weise ermittelten Muster können interessante Informationen über Strategie bzw. Taktik einer Mannschaft in verschiedenen Spielsituationen enthalten. Dies sind dann die Informationen, die sowohl vom eigenen Trainer/Team als auch vom Gegenüber begehrt sind.
Mustererkennung: Ermittelte Bewegungsmuster von einzelnen Spielern, Passsequenzmuster und Passalternativen